ETAPPE 4

Etappe 4: Bormio – Aprica

Der Mortirolo ist ein Radsport-Mythos. Selten türmt ein derart unscheinbares Sträßchen einen solchen Haufen an Legenden auf. Nicht umsonst haben sie da in einer Kehre Marco Pantani ein Denkmal gesetzt.

Der Passo Mortirolo, das Herzstück dieser Etappe im Valtellina (dem Veltlin) muss zunächst noch etwas hinten anstehen. Von Bormio, auf 1200 Metern Höhe am oberen Ende dieses Tales gelegen, geht es nicht gleich bergab in die wärmeren Gefilde, wo Äpfel in der Sonne reifen und noch weiter unten bei Tirano auch Weintrauben das milde Klima ausnutzen. Wir bleiben zunächst noch in den Bergen, im Alta Valtellina, und drehen im Schatten der Dreitausender noch eine Runde ins Nachbartal, ins Valdidentro, teilweise auf Straßen, mit denen die TOUR Transalp zwischen Bormio und Livigno in guter Gewohnheit schon herumgespielt hat. Aber es gibt noch Neues zu erkunden. Über diesem Tal ragen zwei alte Türme auf, die Torri di Fraele. Sie markieren einen Pass, der in ein weites Bergtal führt, in dem zwei gewaltige Stauseen die Gegend mit Wasser und Strom versorgen. Der Giro d’Italia wählte diesen Ort erst kürzlich als Etappenziel, oder genauer als Bergankunft. Doch ist die Straße da hinauf eine Sackgasse, also biegen wir an der letzten Möglichkeit auf dem Weg zu den Torri ab. Jetzt schlängeln sich schmale, rassige Straßen mit Panorama-Zusatz wieder hinab, bis in Isolaccia der Talboden erreicht und die Hauptstraße zwischen Bormio und Livigno geentert wird. Zurück in Richtung Bormio stellt sich nun der kleine Pass bei der Skistation Le Motte in den Weg und bald biegt man nach einem weiteren Stück kurviger Abfahrt etwas südlich von Bormio in die Talstraße des Valtellina ein. Die bringt uns nun immer weiter hinein ins milde Klima, über 600 Meter fällt es auf rund 30 Kilometern bergab. Die parallel verlaufende Schnellstraße nimmt den Großteil des Verkehrs auf, also nähert man sich vergleichsweise entspannt dem tiefsten Punkt in Mazzo di Valtellina auf nur noch 550 Metern über dem Meer. 1300 Höhenmeter auf 12,5 Kilometer, das ist der Mortirolo jetzt für Mathematiker. Als steiler Bock, als wahre Herausforderung bäumt sich die Straße für Radsportler auf und windet sich in vielen engen Kehren konsequent zum Pass auf dem Höhenzug zwischen dem Valtellina im Rücken und dem Valcamonica auf der anderen Seite. Dort hinab führt auch gleich eine Abfahrt, aber wir bleiben oben. Auf dem Kamm, erhaben über beiden Tälern, sucht eine schmale Straße den Weg nach Süden und treibt es wild mit den Panoramablicken: rechts grüßen die Majestäten der Rätischen Alpen, links kratzen die Gletscherkappen der Adamello-Gruppe an den Wolken. Das ist ein wildes, aufregendes Stück Straße. Schmal und kurvig, einsam und verlassen zirkelt es hinüber zum Passo di Guspessa und bald rassig hinab über das idyllische Hochmoor Pian di Gembro nach Aprica auf der Passhöhe zwischen Tirano und Edolo. Diese ungewöhnliche Passankunft, nämlich von oben herab, markiert das Ende einer außergewöhnlichen Etappe voller Abwechslung und sportlichem Reiz.

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